„Vereinbarkeit“ ist ein großes Wort. Jede Familie hat Schwierigkeiten, aber auch eine eigene Herangehensweise und individuelle Lösungen, von denen andere profitieren können. Mein Wunsch ist es, dass es einen besseren Austausch und mehr Offenheit beim Thema Vereinbarkeit gibt und es nicht jede Familie „irgendwie für sich hin bekommen“ muss.

Deshalb werde ich hier immer mal wieder andere Mütter zu Wort kommen und von ihren Erfahrungen berichten lassen. Heute hat Kathrin, alias Frau Innenleben, meine Fragen beantwortet. Sie ist Mutter eines Sohnes, Ingenieurin, freiberufliche Interior Designerin und Bloggerin. Ich bin Kathrin sehr dankbar dafür, dass sie meine Fragen so offen und authentisch beantwortet hat. „Ehrlichkeit und Mut braucht die Welt„, schreibt sie und sie hat so Recht!

 

Vereinbarkeit

 

Kathrin, wie hast du dich in deine Mutterrolle eingefunden?

Als ich Anfang zwanzig war und man mich fragte, wie viele Kinder ich mal haben möchte war für mich klar, dass ich auf jeden Fall drei Kinder haben möchte. Ich habe viele Artikel über Powerfrauen in Führungspositionen gelesen und die ach so heile Familienwelt dazu auf diversen Fotos gesehen. Das würde ich doch sicher auch schaffen mit dem richtigen Mann an meiner Seite.

Der richtige Mann kam dann ein paar Jahre später und es war wirklich der Richtige und ist es bis heute. Nach eineinhalb Jahren Beziehung (er hatte gerade mal ein Jahr gearbeitet und ich war noch mitten im Studium) wurde ich ungeplant schwanger. Ich habe damals mit dem Nuvaring verhütet und hatte nach der einwöchigen Pause schlicht und ergreifend vergessen den neuen Ring einzusetzen. Als ich es merkte war es zu spät. Der Schwangerschaftstest war binnen Sekunden positiv.

Mein Mann, damals noch Partner freute sich sofort unglaublich und war sehr stolz. Ich war eher so mittel-froh. Ich hatte gerade ein Praktikum angefangen, wollte vor dem Diplom unbedingt noch ein bisschen Büro-Luft schnuppern. Ich musste immer lange Bus fahren und mir wird eh schon immer im Bus schlecht. Man kann sich vorstellen, was das in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft bedeutete. Leider hatte ich dazu auch noch eine Chefin, bei der ich regelmäßig auf Unverständnis stieß, wenn es um meinen “Zustand” ging. Wohlgemerkt, sie hatte selbst drei Kinder, also eine der Power-Frauen, die ich früher so verehrt hatte.

Eine weitere Frau in diesem Büro hat mein Leben ebenfalls unwissend gelenkt. Sie arbeitete dort als Architektin und brachte – nachdem ich erzählt habe, dass ich schwanger bin – den entscheidenden Spruch: “Bei uns im Studium wurde auch eine unserer Kommilitoninnen schwanger, die hat bis heute kein Diplom!” Baff!!! Das saß! Für mich war klar, dass ich – koste es was es wolle – so schnell wie möglich mein Studium abschließen würde, um mein Diplomzeugnis in Händen zu halten!

Ich habe mein Praktikum dann wegen dem Mutterschutz früher als geplant beendet. Im Sommer haben wir geheiratet. Nicht wegen der Schwangerschaft, wir hatten es sowieso vor. Im Oktober 2007 kam dann Mini zur Welt. Im darauf folgenden Semester im April 2008 begann ich mit meiner Diplomarbeit. Im Juli 2008 war ich fertig, mit Note 1,3 abgeschlossen! Yay, geschafft!

Wie hat sich euer Leben als Familie verändert? Wie stellt ihr sicher, dass es allen gut geht?

Unser Leben hat sich schon sehr verändert. Vorher waren wir ja einfach nur ein Paar. Gott sei Dank bekomme ich von meinem Mann immer Verständnis in allen Situationen, er ist mein wortwörtlicher Fels in der Brandung, so poetisch es sich auch anhören mag! Ich habe in den neun Jahren (Sohnemann wird diesen Oktober tatsächlich schon 9) zwei Therapien und ein Jahr Psychopharmaka hinter mir. Die ungeplante Schwangerschaft hat bei mir eine Depression ausgelöst, die leider nicht nur eine Wochenbett-Depression war, ich kämpfe auch heute noch damit.

So langsam habe ich aber das Rüstzeug, um mich selbst sehr gut reflektieren zu können. Heute merke ich wann es genug ist und ich eine Pause brauche. So weit muss man erst mal kommen. Der Weg war sehr lang und beschwerlich und ich bin noch nicht am Ende der Arbeit an mir – aber jeden Tag schaffe ich einen kleinen Schritt mehr und darüber freue ich mich sehr!

Wir versuchen, so viel Zeit wie möglich als Familie zusammen zu verbringen. Mindestens eine gemeinsame Mahlzeit am Tag, bei der jeder über seine Erlebnisse, Sorgen und Wünsche spricht und die anderen in Ruhe zuhören. Das ist nicht immer leicht, wenn der Mann zwölf Stunden täglich außer Haus ist, aber wir schaffen es ganz gut. Auch wenn mein Mann in der Woche so viel unterwegs ist, ohne ihn hätte ich das alles nicht geschafft! Wäre er nicht so wahnsinnig verständnisvoll und würde mir so viel Freiraum lassen, mich zu entfalten, wer weiß… Sein Verständnis für meine Anliegen trägt einen sehr großen Teil dazu bei, dass es uns allen gut geht!!

Wie sieht dein Alltag aus? Arbeitest du wieder und wenn ja, wie schaffst du das?

Im November 2008 fing ich, weil alle anderen (wohlgemerkt ohne Kinder) es auch nach dem Diplom so machten, in einem Büro in Luxemburg an zu arbeiten. Es war eine 60% Stelle, die mit Fahrtzeit (eine Stunde hin, eine zurück) eigentlich eine volle Stelle war. Wenn ich nachmittags um drei ging wurde regelmäßig “Wer hat an der Uhr gedreht” gepfiffen oder gesungen – als ob ich nach Hause ging um mich auf der Couch auszuruhen … pfffft! Ich funktionierte damals nur und fragte mich täglich wann ich endlich umfallen würde, ich hoffte ehrlich gesagt darauf, es passierte aber nichts. Mein damaliger Chef hatte ein Kind im gleichen Alter, das nur irgendwie nie krank war. Man glaubte mir nicht, dass mein Sohn so oft krank war im ersten Kita-Jahr. Bei der letzte Stelle wurde ich von der Chefin so gestalkt, dass mir bis heute noch manchmal schlecht wird, wenn ich einen Anruf in Abwesenheit auf meinem Handy habe! Vor drei Jahren habe ich dann die Reißleine gezogen und gekündigt, um endlich das zu machen, was ich schon immer wollte: Ein Masterstudium in der Fachrichtung Innenarchitektur!

Mittlerweile arbeite ich freiberuflich als Interior Designerin, Bloggerin und Ingenieurin und fühle mich damit sehr wohl. Ich verdiene weniger als vorher, kann mir aber meine Auftraggeber aussuchen und mir die Zeit frei einteilen. So bleibt genug Zeit für Kind und Familie. Nach den Sommerferien kann der Sohnemann drei Tage die Woche zur Nachmittagsbetreuung in der Schule bleiben, so habe ich dann noch ein wenig mehr Luft, um Aufträge anzunehmen und mehr Zeit für mich zu haben.

Was sind deine Tipps zur „Vereinbarkeit“?

Hört um Himmelswillen nicht auf andere!!! Hört auf Euch, auf Eure kleine Familie und lasst Euch auf Eurem Weg nicht beirren. Versucht nicht auf Kosten des Familienwohls irgendwelche Arbeitgeber zufrieden zu stellen. Es ist nur wichtig, dass es Euch gut geht und sonst niemandem! So lange Eure Kinder und Ihr gesund und glücklich seid, ist alles gut und nichts und niemand kann Euch etwas anhaben! Ich weiß, dass es ein schwieriger und langer Prozess ist, aber es ist nicht unmöglich zu schaffen! Alles wird gut!

 

P.S.: Möchtest du über deine Geschichte berichten? Wie lebst du „Vereinbarkeit“? Schick mir gerne eine Nachricht! Alle Interviews kannst du hier nachlesen.